Top 6 der Gründe in einem ungeliebten Job zu bleiben
“Warum schaffe ich es nicht zu kündigen, obwohl ich es so furchtbar finde” ist ein Satz, den ich in meiner Coaching-Praxis häufig höre. Kommt dir das bekannt vor? Vielleicht kennst du aber auch Folgendes: “Ich will das nicht ewig machen, aber gerade ist kein guter Zeitpunkt zu kündigen”. Wenn das ein bisschen nach dir klingt, mag ich dir sagen: Es ist okay, dass es so ist. Du bist okay, so wie du bist. Und du hast sicher absolut gute Gründe, um in deinem Job zu bleiben, auch wenn du innerlich regelmäßig nach den roten EXIT-Schildern suchst.
Die guten Gründe um zu bleiben
Von außen betrachtet scheint die Sache ganz einfach zu sein und gute Freunde meinten schon öfters, dass sie dir mit Sätzen, wie etwa “Warum bewirbst du dich nicht einfach woanders und dann kannst du immer noch entscheiden” Unterstützung geben. Du weißt, dass das alles wohl gemeinte Ratschläge sind und vermutlich kommen diese von Menschen, denen du vertraust und die du sehr schätzt. Und doch hast du das Gefühl, dass es gar nicht so hilfreich ist. Vielleicht ist es sogar so, dass es dir rein gar nichts bringt, das zu hören, dich vielleicht wütend macht. Denn ganz so einfach ist es für dich nicht. Und das hat gute Gründe! Denn manchmal liegt vielleicht noch etwas anderes dahinter, was erst mal gesehen und verstanden werden will, bevor man seinen nächsten Schritt geht.
Ich erlebe es in meiner Coaching-Praxis ganz häufig, dass Menschen davon berichten, schon seit Jahren unglücklich in einem Job zu sein und trotzdem nicht gehen zu können. Sie haben es schon mehrfach durchgekaut (da muss ich schrägerweise an einen Kaugummi denken, der schon längst den Geschmack verloren hat und man ihn trotzdem im Mund behält, weil man nicht weiß, wohin mit dem Ding….irgendwie passend oder?). Sie kommen nicht wirklich zu einer Entscheidung und irgendwie gibt es doch immer gute Gründe, die dafür sprechen zu bleiben. Geht es dir da auch so?
Bevor du weiterliest, mag ich dich darauf hinweisen, dass ich im Folgenden einige Reflexionsfragen stelle, die sich nicht nur auf dein Hier und Jetzt, sondern auch auf Erfahrungen aus deiner Kindheit beziehen. Es könnte also sein, dass die ein oder andere Frage eine Erinnerung, ein Gefühl oder einfach nur einen körperlichen Zustand auslöst, der unangenehm oder schwierig für dich ist. Achte bitte gut auf dich beim Weiterlesen, du kennst dich am besten und weißt am besten, was dir guttut und was nicht.
Meine Top 6 der guten Gründe in einem ungeliebten Job zu bleiben
Lass uns mal auf die Top 6 der Gründe schauen, die mir in meiner Coaching-Praxis am häufigsten begegnen. Vielleicht ist der ein oder andere auch für dich das Totschlagargument. Und vielleicht ist die ein oder andere Reflexionsfrage, die mir zu den Gründen einfällt, auch für dich von Nutzen.
#1: Der Job gibt mir Sicherheit.
Dein aktueller Job gibt dir Sicherheit. Du hast einen unbefristeten Arbeitsvertrag und ein geregeltes Einkommen, sicherlich hast du auch flexible Arbeits- und Urlaubszeiten. Und natürlich kennst du den Laden. Du weißt wie es läuft, du kennst die Leute und sie kennen dich. Dein Job ist eine verlässliche Kiste.
Das ist ein guter Grund, der dafür spricht zu bleiben. Ganz klar! Doch die Sicherheit, von der wir hier sprechen, ist etwas, das an äußere Dinge geknüpft ist.
Vielleicht magst du dich einmal fragen, wie es generell mit deiner Sicherheit in dir drin aussieht? Fühlst du dich generell sicher? Was würden nahestehende Menschen über dein Sicherheitsempfinden sagen? Was bedeutet Sicherheit für dich? Vielleicht fällt dir etwas aus der Kindheit oder Jugend ein. Und wie sieht es mit der Sicherheit bei deinen Eltern und Großeltern aus? Was kommen dir für Bilder und Gedanken?
#2: Der Job bringt mir gutes Geld.
Dein Job bringt dir jeden Monat Geld aufs Konto. Und das ist vielleicht gar nicht so wenig, denn du kannst dir deinen Lebensstandard finanzieren und auch was zurücklegen für die etwas teureren Dinge im Leben. Vielleicht denkst du schon an dein Alter und legst etwas beiseite. Chapeau! Ja, ja, das gute Geld. Wir brauchen Geld, um zu leben, keine Frage!
Aber hast du dich schon mal gefragt, was Geld für dich bedeutet? Was hast du für eine Einstellung zu Geld? Ist es etwas, das dir leicht zufliegt und im Überfluss vorhanden ist? Oder ist Geld etwas, das man sich hart erarbeiten muss? Welche Rolle spielte Geld in deinem Elternhaus oder in der Geschichte deiner Urgroßeltern? Wie wurde darüber gesprochen, gestritten, wurde es gespart oder rausgeworfen? Wie würde deine Mutter und dein Opa folgenden Satz vollenden: “Geld ist ….”?
#3. Ich hab ein tolles Team.
Das Team spielt eine wirklich bedeutende Rolle und das ist gar nicht so verwunderlich, wenn wir davon ausgehen, dass wir Menschen bindungsorientierte und höchst soziale Wesen sind. Was gibt es Schöneres als mit tollen Leuten zusammenzuarbeiten, mit denen man auch gerne die Pausen verbringt, den neuesten Ratsch und Tratsch austauscht und sich gegenseitig im Urlaubs- oder Krankheitsfall vertritt? Ich würde fast behaupten, dass die Atmosphäre im Team entscheidend ist, wie gut und lange man es in einem Job aushält und wie gut oder schlecht man sich in einem Unternehmen fühlt. Wir kennen es alle, dass sich ganze Abteilungen auflösen können, wenn der Stein ins Rollen kommt und beliebte Kolleg:innen gehen. Nicht selten folgen ihnen auch andere. Also, ein gutes Team zu haben, ist ein wirklich triftiger Grund zu bleiben und sehr nachvollziehbar.
Doch auch bei diesem Argument könntest du dich vielleicht fragen, welches Bedürfnis oder welche Befürchtung dahinter liegt. Ist es ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit und einen Platz zu haben? Ist es das Bedürfnis nach Anerkennung und gesehen zu werden? Ist es die Befürchtung, jemanden im Stich zu lassen? Oder liegt dahinter, dass dir Abschiede von lieb gewonnenen Menschen schwerfallen? Vielleicht kommt dir eine Situation aus der Kindheit oder Jugend in den Kopf, womöglich ein Schul- oder Ortswechsel.
Vielleicht magst du dich auch fragen: Wie hab ich es geschafft, mich in das Team zu integrieren? Und wie kann ich es schaffen mit meinen Lieblingskolleg*innen außerhalb der Arbeit in Kontakt zu bleiben?
#4: Ich bin Mutter und Teilzeitkraft.
Du glaubst gar nicht, wie oft ich höre “Ich kann doch jetzt nicht kündigen! Wer will schon eine junge Mama, die nur Teilzeit arbeiten will, einstellen?”
Ja, ich gebe zu, das sind ziemlich realitätsgetreue Ängste und die kennen Mütter sicherlich zu Genüge und Väter in Teilzeit natürlich auch. Viele Mütter sind meistens superdankbar, wenn sie nach der Baby- und Kinderpause zurück auf ihre Position dürfen, obwohl sie Teilzeit anmelden. Sie schätzen sich wahnsinnig glücklich, wenn der Arbeitgebende ihnen mehr Homeoffice-Tage genehmigt und für die Pflege der kranken Kinder auch mal zwei Augen zudrückt - na wenn Mütter dafür nicht dankbar sein sollen, dann weiß ich auch nicht - du hörst sicher meinen Sarkasmus heraus, aber ich finde, es hat seine Berechtigung, denn die Situation von arbeitenden Müttern (insbesondere in Teilzeit) ist ein ernstes Problem, aber hierzu vielleicht ein anderes Mal mehr…
Zurück zum Thema: Mutter und Teilzeitkraft als guter Grund, um in einem ungeliebten Job zu bleiben. Wie wäre es, wenn ich dich einladen würde, deine Position der Nehmenden zu verlassen und dich auf die Position einer Gebenden zu begeben?
Und jetzt frag dich einmal: Was muss der Job mitbringen und das Unternehmen leisten, damit es dir als Mutter gerecht wird? Was für Strukturen, Arbeitszeiten, Bedingungen und Extraleistungen müssen für dich gegeben sein, damit du bereit bist, deine hervorragenden Fähigkeiten, deinen Erfahrungsschatz, dein Talent und deine kostbare Zeit zu investieren?
Und vielleicht magst du dich einmal fragen, ob dein jetziger Job deine Anforderungen überhaupt erfüllt und wo du Kompromisse eingehst? Und wenn du magst, dann frag dich doch einmal, wie es dir von deinem Elternhaus vorgelebt wurde? Spielt vielleicht das Thema “Dankbarkeit und Bescheidenheit” eine Rolle in deinem Familiensystem? Wie glücklich waren deine Mutter und deine Oma mit ihrer Rolle? Und wie sind die Frauen in deiner Familie damit umgegangen? Vielleicht kommen dir Bilder oder Vermutungen…
#5. Ich kann doch gar nichts anderes.
Gar nicht selten wird der folgende Grund genannt (übrigens ebenfalls häufiger von Frauen): “Ich kann doch gar nichts anderes” oder “Ich weiß gar nicht, was ich wirklich gut kann”. Leider fehlt es häufiger uns Frauen (so zumindest meine Beobachtung, aber die Studienlage ist da sicher auf meiner Seite) an Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten (aber wen wundert’s bei unserer Geschichte).
“Fehlendes Selbstvertrauen in sein eigenes Können" ist ein so wichtiges Thema und natürlich ein sehr triftiger Grund, um in einem Job zu bleiben, auch wenn man längst nicht mehr glücklich ist.
Wenn du magst und es gerade passend für dich ist, könntest du dich fragen: Woher kenne ich den Satz “Du kannst doch nichts” oder “Du kriegst nichts hin”. Welcher Mensch, welches Bild taucht auf? Wo spürst du eine Veränderung in deinem Körper, wenn du nach einer Antwort suchst?
Und wenn du dich immer noch gut damit fühlst, könntest du dich weiterfragen: Wie war das bei meiner Mutter? Wie war ihr Selbstvertrauen? Und ist Selbstvertrauen ein Thema, das ich eher mit dem weiblichen Teil meiner Familie in Verbindung sehe oder eher mit dem männlichen? Was kommen dir für Vermutungen, vielleicht sogar Fantasien in den Kopf?
Und wenn du das Gefühl hast, du könntest kündigen, wenn du nur wüsstest, was du gut kannst, dann lad ich dich ein, dir gedanklich vorzustellen, was dir nahestehende Menschen antworten würden, wenn du ihnen folgende Fragen stellst: In welcher Tätigkeit würdest du mich sehen? Was hast du von mir gelernt? Was bewunderst du an mir? Und in welchen Momenten siehst du mich glücklich und erfüllt?
Vielleicht wirst du überrascht sein, was du stellvertretend für diese Menschen über dich selbst denkst. Und wenn du ganz mutig bist, dann stell diese Fragen doch direkt deinem Lieblingsmensch, dem du vertraust und der dir wohlgesonnen ist.
#6: Ich weiß nicht was ich will.
Und - last but not least - begegnet mir der folgende Grund (gar nicht so selten) in meiner Arbeit mit Menschen: “Ich weiß was ich nicht arbeiten will, aber nicht was ich will” . Das ist wohl der Klassiker unter den Gründen, um in einem Job zu bleiben, den man eigentlich nicht so wirklich mag. Und natürlich macht es keinen Sinn einfach zu kündigen, wenn man überhaupt nicht weiß, was man will und wo die Reise hingehen soll. Wenn du diesem Aspekt etwas mehr auf den Grund gehen magst, lade ich dich auf ein kleines Experiment ein, um deinen inneren Suchprozess zu aktivieren:
Nimm dir doch die nächste Woche (beginnend bei Montag) jeden Morgen nach dem Aufstehen etwa 10 bis 15 Minuten Zeit. Lege ein Blatt Papier oder ein Notizbuch an deinen Nachttisch (damit du morgens nicht lange suchen musst) und schreibe darauf täglich deine Antworten auf folgende Frage: “Was würde ich heute alles lieber machen als arbeiten?” Schreibe einfach alles auf, was dir in den Sinn kommt, ohne groß nachzudenken oder es zu bewerten. Schreibe es einfach runter, leg es zur Seite und mache wie gewohnt deinen Tag. Wenn diese Woche zu Ende ist, schaust du dir an, was du geschrieben hast.
Vielleicht bist du am Ende überrascht, was auf deiner Liste steht und vielleicht ist auch ein erster Hinweis dabei, was du eigentlich machen willst. Und wenn du täglich “ich will einfach weiterschlafen” auf die Liste schreibst, dann frag dich vielleicht einmal, was dieser Hinweis für dich bedeuten könnte…;)
So, das waren die Top 6, die ich aus meiner Coaching-Praxis kenne. Es gibt sicherlich noch viele weitere gute Gründe, die dich in deinem Job halten. Du bist die oder der Expert*in für dein Leben und kennst dich selbst am besten. Und bedenke, jeder scheinbar noch so banale Grund (aus der Perspektive anderer) kann für dich existenziell sein, denn manchmal liegt etwas Größeres und vielleicht noch Verborgenes dahinter und das hat seine Berechtigung.
Vielleicht merkst du aber gerade auch: Hey, einige Gründe haben sich gerade in Luft aufgelöst und plötzlich fühl ich mich ganz fein damit zu gehen, dann herzlichen Glückwunsch!
Und falls du mir mitteilen magst, wie es dir beim Lesen ergangen ist oder was du ergänzen würdest, oder oder oder... dann schreib mir gerne an hallo@julianafrank.com. Ich freue mich sehr von dir zu lesen.