Was hat deine Uroma mit deinem Bild von Arbeit zu tun?
Du willst wissen, was deine Uroma mit deinem Bild von Arbeit zu tun hat? Nun, ob du es glauben magst oder nicht: so ziemlich vieles! Oh ja! Uroma steht hier natürlich stellvertretend für deine Vorfahren bzw. Ahninnen.
Uroma’s Vermächtnis an dich
Ich könnte salopp sagen: deine Uroma steckt mit deinem Bild von Arbeit quasi unter einer Decke. Und das, übrigens völlig unabhängig davon, ob du sie live und in Farbe kennengelernt hast oder noch nie etwas von ihr gehört hast.
Uroma’s Erfahrungen und die Glaubenssätze, die sie internalisiert hat, sind in Fleisch und Blut übergegangen und an ihre Nachkommen und somit an Dich weitergegeben worden. Und das ist nicht irgend so ein Psychozeug. Ganz und gar nicht. Es ist aktueller Stand unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen, wie etwa der Epigenetik, der Traumaforschung oder der Systemischen Forschung. Die Rede ist von transgenerationaler Weitergabe, was in etwa bedeutet, dass Erfahrungen, Werte und Verhaltensmuster von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden können. Was sich logischerweise auf den Lebensstil, soziale Normen oder die Gesundheit der Nachkommen auswirken kann.
Einfach gesagt: Das, was Uroma in ihrem Leben erlebt hat, könnte dich heute noch in irgendeiner Form beeinflussen.
Die Epigenetik geht übrigens soweit, dass sie behauptet, dass bestimmte Erfahrungen, wie etwa Traumata, auf kleinster Zellebene gespeichert werden und über die Gene an die Nachkommen weitergegeben werden können. Und jetzt kommt das Entscheidende: Vor allem dann, wenn die Traumata totgeschwiegen und von den Betroffenen nicht ausreichend “bearbeitet” werden.
Übertragen wir das Ganze einmal auf das heutige Bild von Arbeit, könnte die Erfahrung unserer Vorfahren, uns als Nachkommen darin beeinflussen, welche Wichtigkeit wir der Arbeit beimessen, wie viel Raum Arbeiten in unserem Leben bekommt, ja sogar welchen Beruf wir ergreifen, weil wir etwa im familiären System nicht aus der Reihe tanzen wollen oder können. Das geschieht bei den meisten Menschen natürlich völlig unbewusst und unbeabsichtigt.
Doch was hat das jetzt mit deinem Bild von Arbeit zu tun?
Du weißt sicher zu gut, in was für einer Welt deine Uroma gelebt hat und kannst dir sicher ausmalen, was für ein Bild vom Leben und Arbeiten in ihren Zellen gespeichert sein könnte (um es etwas zu überspitzen). Ja und genau dieses Bild wurde dir bei deiner Geburt quasi in die Wiege gelegt, natürlich völlig unwillkürlich und ungewollt.
Das Bild, das mir von meiner Uroma über Arbeit vermacht wurde, ist ziemlich menschenfeindlich. Kein Wunder, denn während des Zweiten Weltkriegs und danach gab es im sowjetischen Arbeitslager wenig zu lachen: Es wurde geschuftet und wenn man nicht mehr konnte, dann war man schlicht und einfach nicht mehr von Nutzen. In diesen Zeiten gab es nur zwei Optionen: arbeiten oder sterben.
Das Bild, das sie vermachte, lässt sich in Glaubenssätzen wie den folgenden ausdrücken:
“Das Leben ist schwer.”
“Du musst hart arbeiten, um zu überleben.”
“Das Leben ist ungerecht.”
“Ausruhen kannst du, wenn du tot bist.”
“Arbeit ist alles.”
Na, kommt dir das ein oder andere aus deiner Familie auch bekannt vor? Oder gehörten deine Vorfahren zu den wenigen Glücklichen, an denen das ganze Leid vorbeigegangen ist, weil sie irgendwo auf einer idyllischen, einsamen Insel lebten und völlig abgeschnitten von der Zivilisation waren? Ich vermute, das ist eher nicht der Fall. Der Zweite Weltkrieg und die schwere Zeit danach waren traumatische Erfahrungen für die gesamte Gesellschaft, ganz klar, oder? Wir sprechen heute von kollektivem Trauma und einem kollektiven Gedächtnis, was nicht bedeutet, dass alle Menschen traumatisiert sind oder an Traumafolgestörungen leiden (dazu vielleicht ein anderes Mal mehr). Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es schwere Zeiten für unsere Urmütter und Urvätter waren, die sicherlich nicht spurlos an ihnen vorbeigingen.
Heutige Glaubenssätze zum Arbeiten und Leben
Da deine Uroma (in der Regel) nicht so gerne von dieser Zeit sprach und ihre Erfahrungen unbearbeitet mit ins Grab nahm, blieben diese inneren Bilder und Glaubenssätze vom Arbeiten und Leben in deinem Familiensystem gespeichert und wurden ganz ohne Worte von Generation zu Generation weitergegeben. Womöglich wurden die Glaubenssätze in jeder Generation etwas transformiert und abgeschwächt, sodass sie besser zum Geist der Zeit passen, wie z.B. so:
“Arbeiten macht keinen Spaß.”
“Arbeit ist nie sicher.”
“Du bist nur gut, wenn du viel arbeitest.”
“Geld verdient sich nicht von selbst.”
“Arbeiten ist ein notwendiges Übel.”
“Work hard, play hard.”
“Arbeiten macht unfrei.”
Klingt davon etwas bei dir selbst an? Ich könnte noch weitermachen, aber ich glaube, du verstehst, worauf ich hinaus will. Das vermachte Bild vom Arbeiten und Leben, das alles andere als frei, fröhlich, leichtfüßig und menschenzentriert ist, begleitet unsere Gesellschaft bis heute. Nicht verwunderlich, dass heute immer mehr über New Work, Purpose, Holokratie* oder Work-Life-Blending** gesprochen wird. Ich bezweifle, dass dir der ein oder andere Begriff noch nicht über den Weg gestolpert ist.
Glücklicherweise wissen wir heute, dass wir den Erfahrungen und Prägungen unserer Vorfahren nicht einfach ausgeliefert sind, auch wenn wir sie höchstwahrscheinlich in uns tragen. Puuh, was für eine Erleichterung, oder? Wir sind in der Lage, uns zu verändern! Glaubenssätze, die tief in uns verankert sind, zu transformieren. Laut Epigenetik können wir sogar unsere Gene beeinflussen und positiv verändern. Ganz schön abgefahren, findest du nicht?
Um zum Punkt zu kommen: Wir können uns als Gesellschaft dafür entscheiden, ein neues Bild vom Arbeiten und Leben zu erschaffen, als das, was uns von unseren Vorfahren vermacht wurde. Ja, ich weiß, wir können nicht die ganze, große Welt verändern. Das ist mir bewusst. Aber! Wir können unsere eigene kleine Welt verändern, angefangen bei uns selbst. Wir können uns fragen, welches Bild vom Leben und Arbeiten möchte ich eigentlich für mich selbst? Und was will ich alleine oder mit meinem Partner unseren Kindern vorleben und vermachen?
Wie wäre es mit einem menschenfreundlichen Bild vom Arbeiten und Leben?
Wie wäre es mit einem Bild, auf dem der Mensch im Mittelpunkt steht mit seiner Sinnfrage, all seinen Bedürfnissen, Emotionen, Zyklen und dem Wunsch nach Selbstwirksamkeit?
Na, welche Glaubenssätze zum Arbeiten und Leben trägst du aus deinem Familiensystem in dir? Welche davon fühlen sich stimmig und passend für dein Hier und Jetzt an und welche würdest du gerne nochmal genauer anschauen?
Wenn du deine Geschichte mit mir teilen magst, freue ich mich über deine Nachricht an hallo@julianafrank.com.
* Ein Unternehmen, das selbstorganisiert ist, sodass die Führungsverantwortung nicht beim Einzelnen liegt, sondern auf das Team verteilt ist.
** Ein Konzept der New Work Bewegung, bei dem die Grenzen zwischen Leben, Arbeiten, Care-Arbeit und Freizeit zunehmend verschwinden.
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Hey, ich bin Juliana Frank
Falls dich das ein oder andere besonders angesprochen hat, findest du hier Literatur zum Weiterlesen und Vertiefen! Viel Spaß!
Markus Väth: Arbeit. Die schönste Nebensache der Welt.
Peter A. Levin: Trauma-Heilung. Das Erwachen des Tigers. Unsere Fähigkeiten, traumatische Erfahrungen zu transformieren.
Sandra Konrad: “Jeder hat seinen eigenen Holocaust:” Die Auswirkungen des Holocaust auf jüdische Frauen dreier Generationen. Eine internationale, psychologische Studie.
Bernhard Kegel: Epigenetik: Wie unsere Erfahrungen vererbt werden.